30.07.2024
Ist Freiland-Solarthermie eine gute und bezahlbare Möglichkeit, klimaneutral Wärme zu erzeugen? Ist sie auch eine sinnvolle Ergänzung für die Wärmepläne der Kommunen im Rems-Murr-Kreis? Diese Fragen wurden auf einer Exkursion zur Solarthermieanlage in Ludwigsburg diskutiert, zu der die Energieagentur Rems-Murr die Landkreiskommunen und regionalen Energieversorger eingeladen hatte.
„Die Solarthermieanlage Römerhügel in Ludwigsburg ist die größte in Süddeutschland und erzeugt etwa sechs Millionen kWh Wärme pro Jahr. Das entspricht dem Wärmebedarf von rund 300 Einfamilienhäusern und spart mit fast 4.000 Tonnen CO2 enorme Mengen an Treibhausgasen“, berichtet Florentina Mimler, die in der Energieagentur für die kommunale Wärmeplanung im Rems-Murr-Kreis zuständig ist. „Beim Informationsbesuch wurde sehr deutlich: Solarthermie ist attraktiv. Die Herstellungskosten für Wärme liegen bei nur fünf bis acht Cent pro kWh, die Betriebskosten sind niedrig und es wird vergleichsweise wenig Fläche verbraucht. Für die gleiche Energieausbeute über Silomais und Biogas bräuchte man 40mal so viel Platz“, so Mimler.
Ob und wenn ja, welche Rolle Solarthermie auch für die Wärmeplanung im Rems-Murr-Kreis spielen kann, hierzu sollte der Besuch Experteninput liefern und gleichzeitig den Erfahrungsaustausch zwischen den Kommunen fördern – auch über Landkreisgrenzen hinweg. So wurde die Exkursion gemeinsam mit den regionalen Energieagenturen im Landkreis Göppingen und Ludwigsburg organisiert. Dass der „Wärmeplanungsschuh“ noch bei vielen Kommunen drückt, dass Lösungen und Vorbilder gesucht werden, spiegelte sich auch in der Anmeldung wider: Das verfügbare Kontingent war schnell ausgebucht.
Fast alle Landkreis-Kommunen sind in der Wärmeplanung
Tatsächlich ist der Fortschritt in Puncto Wärmeplan in den Städten und Gemeinden im Rems-Murr-Kreis gut, aber sehr unterschiedlich: „Wir sind regelmäßig im Kontakt mit Bau- und Bürgermeisterämtern, Klimaschutzreferaten und Stadtwerken. In 29 von 31 Landkreiskommunen hat sich etwas getan. Die sechs großen Kreisstädte mussten bereits Ende 2023 einen kommunalen Wärmeplan samt Maßnahmenkatalog vorlegen und haben mit der Umsetzung begonnen. Bei den 23 kleineren Kommunen wird entweder bereits ein Wärmeplan vorbereitet bzw. warten sie noch auf den offiziellen Bescheid des Umweltministeriums, ob die beantragte Förderung genehmigt wird. Dieser sollte eigentlich noch vor der Sommerpause zugehen. Fakt ist: Laut Wärmeplanungsgesetz des Bundes vom 1. Januar 2024 müssen alle Kommunen ohnehin bis Ende Juni 2028 ihre Wärmeplanung abgeschlossen haben“, so Mimler. Die Energieagentur leistet dabei wichtige Unterstützung. Als Beratungsstelle des Landes Baden-Württemberg für alle Kommunen im Rems-Murr-Kreis berät sie individuell, neutral und kostenlos. Sie hilft bei Förderanträgen, liefert fachlichen Input und leistet Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit im Kreis, in der Region Stuttgart und im Land Baden-Württemberg.
Kommunale Wärmepläne sollen den Umstieg von fossilen auf regenerative Wärmequellen beschleunigen und so die Emissionen senken. Jüngste Rekorde bei globalen Tagesdurchschnittstemperaturen, aber auch lokale Starkregenereignisse und Hagel sind Indikatoren für die Dringlichkeit. Hagelschäden gab es übrigens auch an den Kollektoren der Solarthermieanlage. Doch wie sollen die Kommunen am besten vorgehen? „Klar ist: Es gibt kein Standardrezept. Jede Kommune sollte die Potenziale untersuchen und abwägen, was vor Ort verfügbar und sinnvoll ist. Wichtig ist auf jeden Fall auch, die Technologien miteinander zu kombinieren“, verdeutlichte Steffen Petruch von der Ludwigsburger Energieagentur, der durch die Anlage geführt hat. In einem Wärmeplan sollten immer alle Möglichkeiten zur Wärmeversorgung mit regenerativen und lokal verfügbaren Wärmequellen untersucht werden. Dafür kommen neben Geothermie, Oberflächengewässer, Biomasse, Abwasserwärme oder die Abwärme von Gewerbe und Industrie eben auch Solarenergie bzw. Solarthermie in Frage.
Solarthermie mit Wärmespeichern koppeln
Während Solarthermie in Deutschland noch ein Nischendasein fristet, deckt Dänemark damit schon rund 60 Prozent seines Wärmebedarfs ab. Die Kommune Drønninglund hat zum Beispiel bereits 2015 über die Kombination Solarthermie und Photovoltaik 40 GWh Wärme erzeugt. So konnten 3.500 Einwohner mit solarer Wärme versorgt werden. Diese Energieerzeugung entspricht einer solaren Deckung von 41 Prozent. Durch ein 60.000 m³ großes Erdbecken, Bioöl- und Erdgaskessel sowie die Einbindung einer Wärmepumpe hat es die Kommune sogar geschafft, ihren Einwohnern über das Wärmenetzsystem Wärme aus insgesamt 70% erneuerbarer Energie zur Verfügung zu stellen. Der Schlüssel lag auch hier in der Kopplung von Technologien.
Mit der Erstellung der Wärmeplanung eröffnet sich für Kommunen die Chance, geeignete Flächen für Solarthermieanlagen in der Freifläche zu untersuchen, auszuwählen und diese in bestehende Wärmenetze einzubinden. Dabei muss auch bedacht werden, wer diese betreiben kann, Energieversorger oder Kommune. Im Anschluss an die Anlagenbesichtigung wurden weitere Themen lange und intensiv diskutiert: Es ging um kalte und warme Wärmenetze sowie deren Wirtschaftlichkeit, den Lastgang von Wärmenetzen oder auch mögliche Betreibermodelle. Auch die Wärmenetze in Steinheim, Tamm und die Untersuchung der Wärmeversorgung in Winzerhausen kamen zur Sprache.
Die Exkursion nach Ludwigsburg hat die Wärmeplanungsverantwortlichen inspiriert. „Wenn wir schon eine solche Anlage in unmittelbarer Nähe haben, dann ist deren Besuch eigentlich Pflicht für alle, die sich mit der Wärmeplanung beschäftigen. Gut, dass die Energieagentur dazu eingeladen hat!“, so das Fazit des Waiblinger Klimaschutzmanagers Jeffrey Brencher. Um dem spürbaren Bedarf an mehr Austausch Rechnung zu tragen, plant die Energieagentur im Herbst zwei weitere Veranstaltungen: eine weitere Exkursion mit Besichtigung einer innovativen Anlage und eine Wärmeplanungsveranstaltung, in der neben vielen anderen Fragen auch der Stellenwert der Solarthermie in den Plänen der Landkreis-Kommunen erörtert werden soll. Das Netzwerktreffen soll auch sicherstellen, dass die Wärmepläne nicht in der Schublade verschwinden, sondern die definierten Maßnahmen konkret angegangen werden.
Die enge Zusammenarbeit mit den anderen Beratungsstellen zur Wärmeplanung in der Region Stuttgart hat bisher Früchte getragen. Die Veranstaltungen wurden sehr gut angenommen und soll zukünftig weitergeführt und sogar noch intensiviert werden.
Foto: Besuchergruppe der Solarthermieanlage Römerhügel, Ludwigsburg (Copyright: Energieagentur Rems-Murr)